Steampunk Mode

Steampunk Mode: Mein Weg durch Zahnräder, Leder und Fantasie

Der erste Kontakt mit Steampunk Mode

Ich kann mich noch genau erinnern, wie ich zum ersten Mal über Steampunk Mode gestolpert bin. Nicht durch Zufall, eher so eine dieser Situationen, in denen man in einem Forum oder bei Pinterest hängen bleibt. Plötzlich war da dieser Look: viktorianische Kleidung, kombiniert mit Technik aus einer anderen Zeit. Zahnräder, Leder, Kupfer. Irgendwas daran hat mich direkt gepackt. Es fühlte sich nicht an wie ein Modetrend, sondern eher wie ein Sprung in eine andere Realität – eine, in der Geschichte und Fantasie verschwimmen.

Damals war ich gerade dabei, meinen eigenen Stil zu finden. Ich wollte nicht das tragen, was alle trugen. Jeans, Sneakers, T-Shirt – das war mir zu langweilig. Steampunk hat mir eine Welt gezeigt, in der Kleidung nicht nur praktisch, sondern auch erzählerisch sein kann. Ich begann tiefer zu graben.

Wo kommt das alles her?

Steampunk Mode ist eng mit Literatur verbunden. Die Geschichten von Jules Verne oder H.G. Wells, in denen Dampfmaschinen das Ruder übernehmen, bilden quasi das Fundament. Aber die Mode hat sich ihren eigenen Weg gesucht. Statt reiner Requisite wurde sie zu etwas, das Menschen wie ich freiwillig tragen, auf Conventions, Fotoshootings oder einfach, weil es sich gut anfühlt.

Diese literarischen Wurzeln sind spürbar. Wenn ich heute durch meine Sammlung an Kleidung und Accessoires gehe, denke ich oft an die fantastischen Maschinen aus „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ oder an Captain Nemo aus „20.000 Meilen unter dem Meer“. Es geht um Abenteuerlust, um einen gewissen Forschergeist, der sich auch in der Mode widerspiegelt.

Was macht Steampunk Mode aus?

Es gibt ein paar Elemente, die sofort ins Auge fallen: Korsetts, Westen, lange Röcke, hohe Stiefel. Dazu kommen Schutzbrillen, Zylinder, Zahnräder, Messinguhren. Die Farben? Meist gedeckt: Braun, Beige, Schwarz, Kupfer. Aber Regeln gibt’s da keine. Jeder bastelt sich seine eigene Version zusammen. Ich kenne Leute, die knallrote Akzente setzen oder LED-Leuchten in ihre Kleidung einbauen. Warum nicht?

Steampunk lebt vom Detail. Ein einfaches Outfit kann durch gut gewählte Accessoires plötzlich wie aus einer anderen Zeit wirken. Ich habe zum Beispiel eine Freundin, die ihre Blusenknöpfe mit kleinen Zahnrädern ersetzt hat. So etwas fällt erst auf den zweiten Blick auf, aber genau das macht es besonders.

Mein erstes Outfit

Ich war damals nervös, weil ich keine Ahnung hatte, ob das, was ich da trug, überhaupt als "Steampunk" durchgeht. Es war ein braunes Korsett, eine schlichte Bluse, ein asymmetrischer Rock und ein Paar geschnürte Lederstiefel. Die Schutzbrille hab ich auf einem Flohmarkt gefunden, für fünf Euro. Sie war verkratzt, aber irgendwie perfekt. Und dann war da noch eine Taschenuhr, die ich von meinem Opa hatte. Ich fühlte mich nicht verkleidet. Ich fühlte mich irgendwie... stimmig.

Ich erinnere mich noch, wie ich damals auf mein erstes Steampunk-Treffen ging. Ich war unsicher, ob ich auffallen würde – oder schlimmer: ob ich fehl am Platz wäre. Aber das Gegenteil war der Fall. Kaum war ich da, wurde ich angesprochen, bewundert, eingeladen. Jeder war neugierig, offen, kreativ. Ich fühlte mich sofort willkommen.

Ich war überrascht, wie viel Arbeit und Hingabe hinter den Outfits steckte. Eine Frau erzählte mir, dass sie monatelang an ihrem Rock gearbeitet hatte, jedes Detail von Hand genäht, mit Metallstäben verstärkt und kleine Lampen eingebaut, die wirklich leuchteten. Ein Mann führte mir stolz sein mechanisches Armband vor – ein echtes Uhrwerk, das er selbst zusammengesetzt hatte. Die Kombination aus Technikbegeisterung und Handwerk war für mich etwas völlig Neues.

Ohne Accessoires geht nichts

Accessoires sind im Steampunk mehr als Deko. Sie erzählen Geschichten. Die Zahnräder an meinem Hut? Die stammen aus einer alten Weckermechanik. Die Gürteltasche aus Leder? Selbst gemacht, nach einem Tutorial auf YouTube. Es geht nicht nur ums Aussehen. Es geht um die Verbindung zwischen Kleidung und Fantasie. Man trägt nicht einfach Schmuck, sondern kleine Maschinen, die etwas bedeuten.

Ich habe über die Jahre eine ganze Kiste voller Kleinigkeiten gesammelt: alte Schlüssel, Federn, Ketten, kleine Schrauben. Daraus bastle ich regelmäßig neue Teile. Manche davon tragen sogar Namen – einfach, weil sie mir etwas bedeuten. Und ich bin nicht allein damit. In der Szene ist es völlig normal, dass jemand stundenlang über das Innenleben eines selbstgebauten Medaillons spricht.

Einer meiner Freunde trägt z. B. ein steampunk-inspiriertes Hörgerät, das aussieht wie eine antike Kommunikationsvorrichtung. Er hat es aus Kupferplatten und Draht um sein normales Gerät gebaut, sodass es aussieht, als hätte Jules Verne persönlich es entworfen. Es ist nicht nur kreativ, sondern zeigt auch, wie Steampunk selbst funktionale Dinge in kleine Kunstwerke verwandeln kann.

So unterschiedlich wie die Menschen selbst

Was mich immer wieder fasziniert: Niemand sieht gleich aus. Klar, manche Looks kommen häufiger vor. Aber jede Person bringt ihre eigene Note rein. Ich kenne jemanden, der sich komplett in viktorianischem Stil kleidet, inklusive Gehstock und Monokel. Und ich habe mal jemanden getroffen, der futuristische Rüstungselemente mit viktorianischem Kleid kombiniert hat. Klingt schräg? Mag sein. Aber genau das macht es spannend.

Es gibt die eher klassischen Vertreter mit viel Spitze und Samt, die an die obere Gesellschaft des 19. Jahrhunderts erinnern. Dann gibt es die Abenteurer-Typen, bei denen jedes Teil praktisch wirkt, als käme es direkt aus einer Werkstatt. Und dann gibt es noch die, die alles wild mixen: Sci-Fi trifft Kolonialzeit, Western trifft Dystopie. In keiner anderen Modeform habe ich so viel Freiheit erlebt.

Ich habe auch schon Gruppen gesehen, die sich auf ein bestimmtes Thema spezialisiert haben – Steampunk-Piraten, Steampunk-Zeitreisende, sogar Steampunk-Zirkusleute. Manchmal geht es auch über Mode hinaus: Manche gestalten ihre Wohnung im Steampunk-Stil, mit mechanischen Uhren, Möbeln aus Messing und selbst gebauten Apparaturen. Da verschwimmt die Grenze zwischen Alltag und Fantasie vollkommen.

Alltag mit Zahnrädern?

Klar, ein komplettes Steampunk Outfit trägt man nicht mal eben zum Einkaufen. Aber es gibt Wege, Elemente in den Alltag einzubauen. Ich habe z. B. eine Halskette mit kleinem Zahnrad-Anhänger, die ich oft trage. Oder eine Jacke mit Messingknöpfen, die an alte Uniformen erinnert. Solche kleinen Sachen bringen mir Freude und fühlen sich einfach richtig an.

Ich habe Freunde, die sich komplette Outfits für den Alltag gebaut haben, die zwar inspiriert sind vom Steampunk, aber trotzdem dezent genug sind, um nicht permanent alle Blicke auf sich zu ziehen. Manchmal reicht schon eine Weste mit ungewöhnlichem Schnitt, eine mechanisch anmutende Brille oder ein Taschenuhr-Ersatz an einer Gürtelschlaufe.

Selbst bei der Arbeit lässt sich oft etwas integrieren: ein Stiftetui aus Leder mit Metallverzierungen, ein Notizbuch mit Zahnradeinband, oder ein USB-Stick, der aussieht wie ein Mini-Dampfreaktor. Es geht nicht darum, aufzufallen. Es geht darum, ein Stück dieser Welt mit sich zu tragen – wie ein Talisman, der den Alltag ein bisschen spannender macht.

Die Leute dahinter

Die Steampunk Community ist bunt, kreativ und hilfsbereit. Als ich anfing, hatte ich null Plan. Aber auf Treffen, in Gruppen oder bei Messen habe ich so viele Tipps bekommen. Niemand schaut dich schief an, wenn du was ausprobierst. Im Gegenteil: Jeder freut sich, wenn jemand Neues dazu kommt. Man inspiriert sich gegenseitig. Und oft entstehen Freundschaften, die weit über das Thema hinausgehen.

Es geht nicht nur um Kleidung. Es geht um Geschichten, um kleine Erfindungen, um selbstgemachte Props. Ich war auf Veranstaltungen, bei denen Leute ihre eigenen mechanischen Rucksäcke vorgestellt haben – voll funktionsfähig. Andere führen kleine Theaterstücke auf oder gestalten ihre Stände wie Zeitreisende. Die Leidenschaft ist überall spürbar.

Ich habe auch an Workshops teilgenommen: Löten, Lederverarbeitung, Nähen, sogar Uhrwerk-Reparatur. Viele Leute bringen sich das selbst bei, tauschen Wissen aus, helfen sich gegenseitig. Es gibt keinen Wettbewerb – nur gegenseitige Wertschätzung. Gerade in einer Zeit, in der vieles nur noch digital abläuft, ist diese greifbare Kreativität ein echter Schatz.

Warum ich dabeigeblieben bin

Steampunk Mode ist für mich nicht einfach Verkleidung. Es ist ein Ausdruck dessen, was mich interessiert: Geschichte, Fantasie, Technik. Ich mag es, mit Materialien zu arbeiten, Dinge zu gestalten, neue Ideen umzusetzen. Und ich liebe die Gespräche, die sich daraus ergeben. Wenn jemand fragt: "Was trägst du da eigentlich?", dann öffnet sich ein Fenster zu einer Welt, die viele noch nie gesehen haben. Und genau das finde ich spannend.

Ich bin dabeigeblieben, weil es sich richtig anfühlt. Weil ich mich jedes Mal ein bisschen wie ein Entdecker fühle, wenn ich ein neues Teil bastle. Weil ich das Gefühl habe, Teil von etwas zu sein, das lebt und wächst – eine Szene, die nicht nur konsumiert, sondern schafft. Und weil ich jedes Mal, wenn ich mein Outfit anziehe, ein kleines bisschen mutiger werde.

Und jedes Mal, wenn ich mein Outfit anziehe, fühlt es sich an wie ein kurzes Verlassen der Realität. Ich betrete eine Welt, die ich mitgeformt habe, ein Raum voller Zahnräder, Geschichten und Möglichkeiten. Und in dieser Welt bin ich nicht nur Beobachterin – ich bin Teil davon.